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Wege aus der Armutsfalle

Armutsexperte Prof. Christoph Butterwegge spricht über politische Lösungsansätze und Wege aus der Armut

Zugeben will es niemand so recht, doch Inflation, Immobilienpreise auf Höchstniveau und enorme Preissteigerungen im Energie- und Lebensmittelsektor machen es deutlich: Das Thema Armut wird in Deutschland immer virulenter. Im Rahmen der mehrjährigen Kampagne „Armut trifft“ beschäftigt sich der Familienbund der Katholiken (FDK) Würzburg bereits seit Herbst 2021 immer wieder mit den Auswirkungen der Krise. Gerade Familien sind nach den Worten von FDK-Geschäftsführer Manfred Köhler besonders hart betroffen. 


Mit Prof. Dr. Christoph Butterwegge hat der FDK einen echten Experten ins Boot geholt. Seit über 25 Jahren beschäftigt sich der Kölner Politikwissenschaftler mit sozialer Ungleichheit und Kinderarmut. Sein Impulsvortrag über „Wege aus der Armutsfalle“ beim Familienforum im Aschaffenburger Martinushaus am 16. Juli 2022 bleibt deshalb wegweisend für den Verband und dessen politische Lobbyarbeit.


„Man kann sich nicht mit dem Thema Armut beschäftigen, ohne den Reichtum mitzudenken“, sagt der Armutsforscher bewusst provokant. Betroffenen werde häufig vorgeworfen, selbst schuld an ihrer Misere zu sein; in Wirklichkeit sei Armut aber Teil eines gesamtgesellschaftlichen Problems und resultiere aus sozialer Ungleichheit. „Wer also Armut abschaffen möchte, muss den Reichtum antasten“, so Butterwegge.


Wer von Armut spricht, muss zwischen absoluter und relativer Armut unterscheiden: Absolut arm sind Menschen, die kein Geld für Lebensmittel und Wohnung haben; die Zahl obdachloser Menschen ist gerade während der Pandemie gewachsen, mittlerweile sind über 50000 Menschen in Deutschland obdachlos. Bei relativer Armut können die Grundbedürfnisse zwar befriedigt werden, Zusätzliches wie Freizeitaktivitäten, Hobbys oder Urlaube sind aber nicht mehr leistbar; die Betroffenen laufen Gefahr, die gesellschaftliche Teilhabe zu verlieren. Von Armut bedroht schließlich sind Menschen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben, also Alleinerziehende mit weniger als 1850 Euro Monatseinkommen, Paare mit zwei Kindern und weniger als 2410 Euro Monatseinkommen, Paare ohne Kind mit weniger als 1777 Euro Monatseinkommen, Alleinstehende ohne Kind mit weniger als 1492 Euro Monatseinkommen. 


Drei große Ursachenbündel nennt Prof. Christoph Butterwegge für die zunehmende Armut: Erstens die Deregulierung des Arbeitsmarktes mit immer mehr prekären Arbeitsverhältnisse und einem größeren Niedriglohnsektor; zweitens der Um- und Abbau des Sozialstaats, bei dem das Rentenniveau immer stärker gesenkt und Arbeitslosenhilfe abgeschafft wurde; so habe sich allein durch die Einführung von Hartz IV die Kinderarmut fast verdoppelt. Dritter Ursachensektor ist laut Butterwegge die Steuerpolitik: Hier wurden zum Beispiel Kapital- und Gewinnsteuer stark gesenkt oder ganz abgeschafft, während die Mehrwertsteuer von allen Steuerzahlern – ob mit kleinem oder großem Einkommen – gleicher gezahlt wird.


Die Aufgabe des Sozialstaates sei es jedoch, dafür zu sorgen, „dass sich die Kluft zwischen Arm und Reich nicht vergrößert und gleichwertige Lebensverhältnisse herrschen“. Hier brauche es passgenaue Hilfen, die direkt bei den Betroffenen ankommen, einen Ausbau des Sozialstaats (Grundsicherung ohne Abzüge, solidarische Bürgerversicherung), eine Regulierung des Arbeitsmarktes (Mindestlohn anheben, Tarifbindung stärken) und eine gerechte Steuerpolitik (Vermögensabgabe einführen). 


Bei der Politik stoßen die Ausführungen des Wissenschaftlers durchaus auf offene Ohren; dies war zumindest den Statements einiger beim Familienforum vertretener PolitikerInnen zu entnehmen: Die Aschaffenburger Bürgermeisterin Jessica Euler verwies auf das erhöhte Armutsrisiko von älteren Menschen und Frauen. Ihrer Erfahrung nach würden sich viele Betroffene nicht trauen Hilfsleistungen zu beantragen, zudem könnten sich Harz-IV-Konstellationen über Generationen verfestigen und durch multiple Probleme verschärfen. Um gegenzusteuern habe die Stadt Aschaffenburg verschiedene Projekte wie das „Löwenfrühstück“ an einer Grundschule oder ein Projekt für Langzeitarbeitslose ins Leben gerufen. Für Landtagsabgeordnete Kerstin Celina bedeute Armut auch „die Unfreiheit Entscheidungen zu treffen“: „Die Betroffenen haben keine Wahl“, so Celina. Zur Armutsfalle werde oft das individuelle Lebensrisiko wie Gesundheitsprobleme oder Behinderungen in der Familie – aber: „Nicht jeder Ausfall von Einkommen darf zu Armut führen!“ Der stellvertretende Würzburger Landrat Felix von Zobel rückte das Armutsrisiko von LandwirtInnen in den Fokus. Für sie brauche es vor allem faire Preise und realistische wirtschaftliche Bedingungen. 


Die anschließende Diskussionsrunde – moderiert von Sabrina Göpfert und Claus Schreiner – förderte noch einige weitere Aspekte zutage: Ganz konkret wurden zum Beispiel öffentliche Räume gefordert, „in denen alle gleich sind“ sowie ein verstärkter Blick auf die Bildung: Der Teufelskreis der Armut könne nur unterbrochen werden, „wenn wir unsere Kinder stark und schlau machen“, so Jessica Euler. Gerade vor dem Hintergrund der Corona-Krise, die die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter geöffnet habe, sei künftig ein stärkerer politischer und gesellschaftlicher Diskurs nötig. Insofern sei der Einsatz des Familienbunds und seiner Mitstreiter in der Kampagne „Armut trifft“ ein wichtiger Baustein für eine ungeschminkte Wahrnehmung und eine echte Verbesserung der Situation in Deutschland.

Anja Legge