Im Kilianeum-Haus der Jugend tauschten Zukunftslobbyist Wolfgang Gründinger, Familienbund-Diözesanvorsitzender Michael Kroschewski und die Politiker Paul Lehrieder (CSU), Kathi Petersen (SPD) und Kerstin Celina (Bündnis 90/Die Grünen) mehr als zwei Stunden lang das Pro und Contra aus.
Gründinger legte in seinem einführenden Referat dar, dass es aus seiner Sicht keine zwingenden Argumente gegen ein Wahlrecht für all diejenigen sprächen, die dieses in Anspruch nehmen wollten. Alle Macht gehe schließlich vom Volk aus, heiße es im Grundgesetz. Das könne dann heißen, dass ab 14 Jahren jeder wählen dürfe, alle Jüngeren ebenfalls, sofern sie sich dafür bei der zuständigen Gemeinde eintragen lassen. Das Argument, dass Kindern und Jugendlichen die notwendige Reife fehle, konterte Gründinger lapidar: „Es wäre zu begrüßen, dass sich jeder informiert, bevor er wählt. Doch auch bei Menschen über 18 Jahren wird das weder gefordert noch vor der Wahl geprüft.“ Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags habe im Zusammenhang mit einer möglichen Wahlbeschränkung für Senioren als Gegenargument hervorgehoben, dass Wahlreife und -fähigkeit keine Voraussetzungen für das Wahlrecht seien. „Was für Alte gilt, gilt wohl auch für die Jungen.“ Dass Reife und Verantwortungsbewusstsein nicht Bedingung für Wahlrecht seien, belege nicht zuletzt die Tatsache, dass „auch Drogensüchtige, Mörder, Nazis und Volltrunkene ein Wahlrecht haben“, betonte Gründinger.
Wenig stichhaltig sei zudem, wenn Gegner einer Absenkung des Wahlalters anführten, man müsse die jungen Menschen vor schädlichen Einflüssen schützen wie bei Tabak, Alkohol oder Solarien. „Ich sehe aber nicht, warum Demokratie etwas ist, wovor man geschützt werden muss.“ Schließlich dürfe jeder Mensch in Deutschland mit 14 Jahren über seine Religion entscheiden, mit 17 Jahren Zeitsoldat werden oder mit 16 in eine Partei eintreten und dort mitentscheiden. „Bei Menschen über 18 fragt keiner, ob sie sich für Politik interessieren, bevor sie ein Wahlrecht bekommen.“ Und selbst wenn die jungen Leute zu einem nicht geringen Prozentsatz Spaß- oder extreme Parteien wählten, ist das in Gründingers Augen kein Grund, sie von Wahlen auszuschließen. „Auch Sachsen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg werden trotz der vielen Stimmen für die AfD nicht von der Wahl ausgeschlossen.“
vergrößernDie Landtagsabgeordnete Celina sagte, sie sei sicher, dass sich der Politikstil nicht verschlechtere, wenn das Wahlalter gesenkt werde. Für den Bundestagsabgeordneten Lehrieder jedoch gehört das Wahlrecht aus gutem Grund zu den Dingen, die Volljährigen vorbehalten seien. „Es geht schließlich darum, dass jeder die Folgen dessen absehen können muss, was er tut. Und davon können wir in der Regel ab 18 Jahren ausgehen.“ Landtagsabgeordnete Petersen argumentierte ebenfalls gegen eine Änderung beim Wahlalter. „Wenn die jüngeren Wähler laut Meinungsforschern ganz ähnlich wählen wie die Erwachsenen, warum sollten wir sie dann wählen lassen?“
„Es geht doch nicht darum, Generationen gegeneinander auszuspielen“, sagte FDK-Vorsitzender Kroschewski. Es könne letztlich doch nur positiv sein, wenn durch zusätzliche Wähler die Parteien dazu angespornt würden, alte Sprach- und Wahlkampfmuster aufzubrechen. „Ich habe sonst Angst, dass 2017 genauso wie 2013 nur die Rente wichtigstes Wahlkampfthema ist.“ Lehrieder hob hervor, dass es wenig schlüssig sei, wenn das Wahlalter auf beispielsweise 16 Jahre gesenkt würde, die volle Geschäftsfähigkeit aber weiterhin erst zwei Jahre später erreicht werde. Wenig einsichtig nannte Celina die Tatsache, dass Wählen keinem Jugendlichen zugetraut werde, der Umgang mit Waffen – beispielsweise im Sportverein – aber durchaus zulässig sei.
Fast schon ein Fazit war ein Einwand Kroschewskis. Viele der Argumente, die im Verlauf der Diskussion als Grund zum Ablehnen eines Wahlrechts für Jüngere angeführt wurden, seien so fast wortwörtlich identisch vor rund 100 Jahren gegen das Frauenwahlrecht vorgebracht worden. „Und wie wir sehen, funktioniert die Demokratie trotzdem auch heute.“
Markus Hauck (POW)