DABEI IST WER MITMACHT!
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NACHGEFRAGT: WO STEHT FAMILIE?
Ein Interview mit Bischof Dr. Franz Jung zum Zukunftsthema Familie & Kirche
Bischof Dr. Franz Jung wurde 1966 in Mannheim geboren und wuchs in Ludwigshafen am Rhein auf. Er studierte Philosophie und Katholische Theologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana. Am 10. Oktober 1992 empfing er in Rom die Priesterweihe. Im Bistum Speyer wirkte er u. a. als Kaplan, Sekretär des Bischofs, Leiter der Abteilung Gemeindeseelsorge und Generalvikar. Am 16. Februar 2018 ernannte ihn Papst Franziskus zum 89. Bischof von Würzburg.
Sein Wahlspruch: „Die Hoffnung als Anker der Seele“ (nach Hebräer 6,18-20)
Herr Bischof, was halten Sie von der mitunter vernehmbaren Behauptung, ein Priester oder ein Bischof könne nicht viel zum Thema Familie sagen, da er ja keine eigene Familie habe?
Bischof Dr. Franz Jung: In der Tat bringt es die priesterliche Lebensform mit sich, keine eigene Familie – sprich: Frau und Kinder – zu haben. Damit gleichen Geistliche in diesen Tagen im Übrigen vielen Politikerinnen und Politikern, die keine eigene Familie haben. Auch wenn der direkte Familienalltag fehlt, weiß man dennoch durch die eigenen Geschwister und Freunde, nicht zuletzt durch die Probleme in der Mitarbeiterschaft um die Herausforderungen, denen sich Familien in diesen Tagen gegenübersehen.
Welche Erfahrungen und Erinnerungen verbinden Sie mit Familie?
Gibt es bei Ihnen Prägungen aus Ihrer Herkunftsfamilie?
Bischof Jung: Ich bin mit drei Geschwistern aufgewachsen und habe zum Glück auch alle vier Großeltern selbst erlebt, was nicht allen meinen Geschwistern vergönnt war. Zusammen mit Geschwistern aufzuwachsen prägt. Man lernt, miteinander zu teilen, aufeinander Rücksicht zu nehmen und Kompromisse zu schließen. Es dreht sich eben nicht alles um einen selbst. Im Gegenteil. Als Älterer war man angehalten, sich um die Jüngeren zu kümmern und aktiv das Familienleben mitzugestalten – ein großes Glück und eine schöne Erfahrung.
An welche besonders beeindruckenden Erfahrungen mit Familienleben, die Ihnen in Ihrem priesterlichen Dienst passiert sind, erinnern Sie sich?
Bischof Jung: In meinem priesterlichen Wirken habe ich immer wieder die Erfahrung machen dürfen, wie sehr engagierte Familien das Gemeindeleben tragen, sei es dadurch, dass die Kinder bei den Ministrantinnen und Ministranten engagiert sind, sei es, dass die Eltern sich einbringen bei den Katechesen, oftmals nicht nur dann, wenn ein eigenes Kind auf die Kommunion oder Firmung vorbereitet wurde, sondern auch weit darüber hinaus. Zu den besonders schönen Erfahrungen zählt sicherlich eine Familie, die immer wieder Kinder aus dem Kinderheim aufnahm, um ihnen eine funktionierende Familie als Ort der Geborgenheit zu schenken. Zu den besonders schmerzlichen Erfahrungen zählt die Begleitung eines Paares, dem der Kinderwunsch versagt blieb und das eine mitunter erniedrigende Behandlung über sich ergehen lassen musste, bis es möglich war, ein Kind bei sich aufzunehmen, an Adoption jetzt noch gar nicht gedacht.
Junge Familien scheinen immer weniger Zugang zur Kirche zu finden.
Was müsste sich aus Ihrer Sicht tun, damit Menschen wieder verstärkt Heimat in der Kirche finden können?
Bischof Jung: Ich erlebe, dass gerade junge Familien in der Kinderphase wieder verstärkt den Kontakt zur Kirche suchen. Da sind wir als Kirche gut aufgestellt. Gerade unsere Kindertageseinrichtungen bieten ein qualifiziertes Unterstützungsangebot und eine gute religiöse Unterweisung, die wir als wesentlich erachten für eine ganzheitliche Erziehung von jungen Menschen. Allerdings geht es darum, die jungen Familien nicht nur bestmöglich zu betreuen, sondern sie auch in ihrer eigenen Kompetenz als Eltern zu fördern und zu fordern. Ob und wo sich jemand beheimatet, entscheidet er heute selbst. Aber wenn jemand erfährt, dass Kirche ein Angebot unterbreitet, bei dem sich ein eigenes Engagement nicht nur lohnt, sondern auch der eigenen Weiterentwicklung dient, wird er sich auch eher bereitfinden, sich hier einzusetzen.
Inwieweit kann aus Ihrer Sicht ein Verband wie der Familienbund auf diesem Weg unterstützen?
Bischof Jung: Ich sehe den Familienbund als einen der – wenn man so sagen darf – „Lobbyisten“ für die kirchliche Familienpolitik. Das bedeutet, die familienpolitischen Weichenstellungen aufmerksam zu verfolgen und kritisch zu begleiten. Das kann man nur, wenn man um die Belastungen und den Veränderungsstress weiß, denen heutige Familien ausgesetzt sind. Zugleich wird es darum gehen müssen, die vielfältigen Formen familiären Lebens im Blick auf das gedeihliche Zusammenleben der Eltern und auf das Kindeswohl zu unterstützen.
Der Familienbund engagiert sich auf allen Ebenen für verbesserte Rahmenbedingungen für Familien, zum Beispiel für einen Ausgleich in den Sozialversicherungssystemen oder für ein Wahlrecht für Kinder. Darf oder muss Kirche (familien-)politisch sein?
Bischof Jung: Unsere Sendung gilt den Menschen. Deshalb haben wir im Blick, was wesentlich und entscheidend für das Leben der Menschen ist. Dazu gehören ganz wichtig Ehe und Familie. Trotz des wissenschaftlichen Disputs sind wir überzeugt, dass das Zusammenleben von Mutter, Vater, Kindern den idealen Rahmen bietet, in dem Kinder aufwachsen und sich entfalten können. Wir sind damit eine der wenigen Institutionen, die das gewachsene Familienbild betonen. Das heißt aber nicht, dass wir die Augen vor Entwicklungen und damit einhergehenden Veränderungen in der Gesellschaft verschließen. Das Wohl der Menschen und insbesondere der Kinder bedingt, dass wir nicht alles als „gleich-gültig“ erachten. Die Diskussion, die sich daraus ergibt, ist damit immer auch politisch.
Ein Herzensanliegen ist es, Menschen zu ermutigen, auf Dauer Verantwortung füreinander zu übernehmen, damit Ehe und Familie gelebt werden können. Deswegen engagieren wir uns mit unseren Möglichkeiten und Diensten für Ehe und Familie. Zugleich mahnen wir die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es möglich machen, Familie – auch über Generationen hinweg – zu leben. Um das Bewusstsein für Ehe und Familie und Erfordernisse zu schaffen, haben aber auch die Medien eine große Verantwortung, die sich nicht allein da-rauf beschränken darf, dem „Mainstream“ der gängigen Meinung zu folgen. Es geht um das Leben der Menschen und damit auch um die Zukunft der Gesellschaft; und die braucht feste Wurzeln.
Die Familienformen verändern sich über die Jahre hinweg. Der Trend geht zur Kinderlosigkeit.
Was wäre aus Ihrer Sicht die wichtigste politische Weichenstellung, wie Familien mit Kindern mehr Wertschätzung und finanzielle Gerechtigkeit erfahren können?
Dafür, dass Elternsein – auch mit mehreren Kindern – als Bereicherung empfunden wird?
Bischof Jung: Das Thema ist sehr komplex. Es geht dabei um die persönliche Einstellung eines jeden in unserer Gesellschaft. Das betrifft zum Beispiel Vermieter, aber auch Arbeitgeber, die Verständnis für die Sorge um Kinder und Angehörige haben, ebenso Nachbarn, die ein Herz für kinderreiche Familien, für den Spielplatz oder die Kindertagesstätte in der Nähe haben. Es geht um die Wertschätzung der persönlichen Leistung von Eltern, die nicht zwangsläufig durch institutionelle Formen der Kinderbetreuung ersetzt werden darf. Es braucht die Wahlfreiheit und damit die Möglichkeit von Eltern, selber Sorge für eine gute Entwicklung ihrer Kinder zu tragen. Zugleich braucht es das qualifizierte und hochwertige Angebot von Kindertagesstätten, um Eltern in ihrer Verantwortung für die Kinder zu unterstützen und zu entlasten. Es geht dabei um die Bedeutung von Familie im Vergleich zu den Erfordernissen der Wirtschaft. Dabei wiederum geht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie um eine entsprechende Flexibilität in der Gestaltung von Arbeitszeiten und Berufsphasen. Es geht um einen gerechten Finanzausgleich, der die Leistung von Ehe und Familie für das Gemeinwesen und damit die Gesellschaft berücksichtigt. Darunter ist nicht nur ein angemessenes Kinder- beziehungsweise Familiengeld zu verstehen, sondern auch das Ziel, dass Erziehungs- und Familienzeiten sich nicht nachteilig für diejenigen auswirken, die viele Jahre ihres Lebens investiert haben, um Kindern eine gute Zukunft zu ermöglichen und damit die Gesellschaft als Ganzes weiterzubringen.
Zum Abschluss: Setzen Sie bitte die beiden folgenden Sätze fort:
Kinder bringen Farbe ins Leben, ...
... denn sie fordern uns jeden Tag neu heraus und konfrontieren uns mit Fragen, die wir schon lange wieder ad acta gelegt oder verdrängt hatten.
Eltern (beziehungsweise große Schwestern, kleine Brüder, Großeltern, …) sind Helden, ...
... denn sie leisten oft Heroisches, indem sie eigene Wünsche hintanstellen, ihre Zeit anderen schenken und ein Bewusstsein dafür mitbringen, wie vieler Anstrengungen es bedarf, um einem jungen Menschen zu einem gelungenen Lebensstart zu verhelfen.
Das Interview mit Bischof Dr. Franz Jung führte Markus Hauck
Familienbund der Katholiken
in der Diözese Würzburg
Kilianeum - Begegnung. Seelsorge. Jugend.
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